Universitätsleitung
Die Covid-19-Krise hat auch die Universität Bern hart gefordert. Dennoch leistet sie mit ihrer Expertise einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Krise und gibt Impulse für die Zukunft. Bedroht ist der künftige Erfolg der Universität Bern jedoch durch die stockende Erneuerung ihrer Infrastruktur und die gefährdete Forschungszusammenarbeit mit Europa.
Von Prof. Dr. Christian Leumann, Rektor
Ein ereignisreiches Jahr ist zu Ende gegangen, welches uns in vielerlei Hinsicht überrascht und bis an die Grenzen gefordert hat. Seit Mitte März 2020 hält uns nun die Covid-19-Pandemie fest im Griff, und bis heute gibt es noch keine Entwarnung. Innert dreier Tage mussten wir während des ersten Lockdowns die Lehrveranstaltungen auf digitale Gefässe umlenken und unsere Gebäude und Laboratorien vorübergehend schliessen, was vor allem die Forschungstätigkeit extrem beeinträchtigte. Studierende, Forschende und Mitarbeitende mussten, wo möglich, von zu Hause aus arbeiten.
Doch jede Krise bietet auch Chancen. So betrachtet war das vergangene Jahr für uns ein grosses Experiment in der Etablierung und Anwendung neuer Lehrformen. Die Universität Bern war in diesem Bereich dank ihrer Digitalisierungsstrategie glücklicherweise gut vorbereitet. Wir werden uns jetzt mit den Erfahrungen vertieft auseinandersetzen. Ich gehe davon aus, dass die zukünftige universitäre Lehre sich nachhaltig verändern wird. Die Covid-19-Krise war zwar nicht Auslöser, aber ein grosser Promotor für diesen Prozess.
Im Zusammenhang mit dieser Krise ist die Universität Bern allerdings nicht nur Betroffene, sie engagiert sich auch stark, Teil der Lösung zu sein. So konnten Forschende des Instituts für Virologie und Immunologie der Vetsuisse-Fakultät Bern als erste weltweit das SARS-CoV-2-Virus rekonstruieren und zusammen mit internationalen Partnern einen schnellen Antikörpertest gegen SARS-CoV-2 entwickeln. Ausserdem sind im letzten Jahr nicht weniger als sechs Professorinnen und Professoren der Uni Bern in die Covid-19-Taskforce berufen worden.
Neben Covid-19 gibt es glücklicherweise aber auch viel Positives zu berichten. Mit über 19 200 Studierenden hat die Universität im letzten Herbstsemester einen neuen Studierendenrekord erzielt. Das ist eine Anerkennung unserer Attraktivität und gleichzeitig ein Ansporn, die Exzellenz unserer Ausbildung stetig weiterzuentwickeln. Anfang Mai wurde die Wyss Academy for Nature offiziell gegründet und befindet sich nun unter der Leitung von Prof. Peter Messerli in rasantem Aufbau. Unter dem Dach der Wyss Academy, an der neben der Stiftung des Berner Mäzens Hansjörg Wyss und der Universität auch der Kanton Bern beteiligt ist, werden die Klima-, die Biodiversitäts- und die Landnutzungsforschung zusammengeführt, um realitätsbezogene Projekte zu einer nachhaltigen Entwicklung von Mensch und Natur zu erarbeiten und zu erproben. Dank unseren wissenschaftlichen Beiträgen zur Covid-19-Pandemie konnten wir mit grosszügiger Unterstützung der Stiftung Vinetum noch im Dezember 2020 ein neues strategisches Forschungszentrum für Infektionskrankheiten und Immunologie (MCIDI) gründen. Darin sollen die Entstehung von Infektionskrankheiten und deren Auswirkungen auf die Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft in einem interdisziplinären Ansatz untersucht und praktikable Ansätze zur Bewältigung zukünftiger Pandemien aufgezeigt werden.
Der Transfer von Wissen in die Gesellschaft und Wirtschaft wird von der Technologietransferstelle Unitectra vorangetrieben. Diese konnte 2020 ihr 20-Jahr-Jubiläum feiern. In diesen 20 Jahren wurden unter anderem 18 000 Forschungsverträge ausgehandelt, 1200 Patente angemeldet und 200 Spin-off-Firmen begleitet.
«Die Berner Forschung profitiert von der engen Zusammenarbeit mit Europa.»
Prof. Dr. Christian Leumann, Rektor
Die zwei grössten Herausforderungen, die den künftigen Erfolg der Universität Bern bedrohen, sind unsere Gebäude- und Infrastruktursituation sowie die Unsicherheit der Schweizer Beteiligung am europäischen Forschungsprogramm «Horizon Europe». Im Infrastrukturbereich werden wir in den nächsten zehn Jahren ein Investitionsvolumen von über 1,6 Milliarden Franken haben, um den Herausforderungen unseres Wachstums begegnen zu können. Essenziell dabei sind – neben der Finanzierungsgrundlage – an die Bedürfnisse der Universität angepasste, schnelle Prozesse bei der Planung und die zeitnahe Umsetzung von Gebäuden, Labors, Büros, Hörsälen etc. Beides entspricht im Moment nicht der Dynamik und der Geschwindigkeit, in der sich die Universität im kompetitiven Umfeld bewegen müsste. Es ist deshalb durchaus einen Gedanken wert, der Universität in der baulichen Entwicklung mehr Autonomie zu gewähren. Nur wenn wir auch in Zukunft kompetitive Lehr- und Forschungseinrichtungen haben, werden wir die besten Dozierenden und Studierenden rekrutieren und damit für den Kanton den grössten Mehrwert generieren können
Die Berner Forschung profitiert von der engen Zusammenarbeit mit Europa. So leitet die Universität Bern das neue europäische Forschungsprojekt «G-VERSITY» zur Förderung der Geschlechtervielfalt im Arbeitsleben, das im Rahmen des EU-Programms «Horizon 2020» mit 4,1 Millionen Euro unterstützt wird. Ein weiteres Beispiel sind die vier Berner Forschenden, die 2020 je einen der prestigeträchtigen ERC Starting Grants einwerben konnten. Sie lehren und forschen im Bereich der Pflanzenbiologie, der Wirtschaftswissenschaften, der Physiologie und der Chemie.
Jedoch ist die Assoziierung der Schweizer Hochschulen an das zukünftige europäische Forschungs- und Bildungsnetzwerk Horizon Europe leider in der Schwebe, obwohl die Zeit drängt. Voraussetzung für die Beitrittsverhandlungen zur Assoziierung ist ein Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU. In der gegenwärtigen Situation ist es nicht absehbar, dass ein solches bis zum Start von Horizon Europe besteht. In diesem Fall wird die Schweizer Hochschullandschaft nicht den nahtlosen Übergang von Horizon 2020 zu Horizon Europe schaffen. Die Erfahrungen aus 2014 zeigen klar, dass dies einen Rückschlag darstellt. Wir würden ein zweites Mal als unzuverlässige Kooperationspartner gelten und könnten wieder aus europäischen Forschungsverbünden ausgeschlossen werden. Das hat nicht nur eine finanzielle Dimension, sondern verhindert auch die Mitgestaltung der zukünftigen europäischen Forschungsagenda durch unsere Schweizer Hochschulen. Spitzenforschung ist vergleichbar mit Spitzensport. Wer nur in der Schweizer Meisterschaft mitspielen darf, macht sich nicht genügend fit, um in der Champions League bestehen zu können.
Abschliessend möchte ich die Gelegenheit nutzen und unseren Studierenden, Forschenden und Mitarbeitenden meinen herzlichen Dank für das Geleistete ausdrücken. Es war ein schwieriges Jahr, aber zusammen haben wir Grosses geleistet. Deshalb blicke ich mit Vertrauen und Optimismus in die Zukunft.